Roma (2012)
Rom ist eine Stadt des Wassers. Regina Aquarum. Überall stürzt und sprudelt, rauscht und perlt und gurgelt es. Nein, nicht der gelb-brühige Tiber, der tief unten in seinem Flussbett sich durch die Stadt wälzt. Es sind dies vielmehr die unzähligen Wasserstätten, die einem auf Stadtniveau begegnen. Angefangen bei den gusseisernen hydranten-ähnlichen Wasserspendern mit dem schlanken, gekrümmten Röhrchen gleich einer Adlernase, daher der Übername „nasoni“ – grosse Nasen. Will man den Durst stillen, hält man das Ende des Röhrchens, aus dem das Wasser fliesst, mit dem Finger zu. Aus einem Löchlein auf der Oberseite schiesst es heraus, was man sich in einer Grossstadt kaum vorstellen kann: frisches, reines Trinkwasser, zu jeder Jahreszeit, keimfrei und umsonst. Das qualitativ hochstehende Wasser stammt von den Hügeln und Bergen, von denen Rom umgeben ist, den Monti Sabatini, Sabini, Prenestini und Simbruini, den Colli Albani. Dem Transport dieses kostbaren Nasses dienten bereits zur Römerzeit die Aquädukte.
Die erste Wasserleitung, die Aqua Appia, war 312 v. Chr. erbaut worden. Entlang der Via Pränestina führte sie über knapp 17 km nach Rom, mehrheitlich unterirdisch, teils oberirdisch über brückenähnliche Bogenkonstruktionen, nach einem ausgeklügelten System, um jederzeit genügend Gefälle und Druck zu wahren. In der Nähe des Palatins trat sie in die Stadt ein, wurde von dort zum Campus Martius weitergeleitet und versorgte die Brunnen, Thermen und Nymphäen der halben Stadt. Der wichtigste Aquädukt der Antike war die Aqua Claudia, erbaut zwischen 38 und 52 n. Chr., der Wasser von bester Qualität nach Rom führte. Über 68 km, östlich von Rom, aus dem Tal des Aniene herkommend, war er einer der acht Aquädukte, die bei Porta Maggiore die Stadt erreichten, von wo aus sie sich über das gesamte urbane Gebiet verzweigten. In der römischen Campagna zeugen die imposanten Überreste noch heute von der Grandiosität der römischen Ingenieurs- und Baukunst. Eine Verzweigung der Aqua Claudia führte als Aqua Neroniana in das Gebiet des Cälius zur Speisung der Domus Aurea von Nero, eine andere zur heutigen Piazza Vittorio Emanuele II. zur Speisung des Nymphäums, eine Art repräsentativer Brunnen-Prachtbau mit Wannen, Säulen, Bogen und Statuen, von Alexander Severus aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. .
Die 20 km lange Aqua Virgo, 19. v. Chr. erbaut, nimmt ihren Anfang auf halbem Weg nach Tivoli, Sommerresidenz der antiken Römer. Die heute noch in Funktion stehende, fast ausschliesslich unterirdische, mit Booten befahrbare Wasserleitung tritt am Pincio in die Stadt ein und wird von dort über die Via Condotti weitergeleitet. Dieses Wasser, ebenfalls von ausgezeichneter Qualität, speist noch heute die monumentalen Brunnen im Kern der Altstadt. Aus der weltberühmten Fontana di Trevi fliesst es, speist auch die Fontana della Barcaccia auf der Piazza di Spagna und die Fontane del Moro, dei Quattro Fiumi und del Nettuno auf der Piazza Navona. Aus der Fontana delle Naiadi auf der Piazza della Repubblica, gespeist von der Acqua Pia Marcia, schiesst es sprudelnd in den Himmel in einer sprühenden Sinfonie von tausenden glitzernden Wasserperlen. Das reichlich vorhandene Wasser bringt die Stadt zum Blühen. Üppiges Grün findet sich überall, in gepflegten Parkanlagen, in privaten Gärten und Innenhöfen oder auf überwucherten Dachterrassen. Stattliche Palmen breiten ihre Wedel aus, spenden Schatten und erzählen flüsternd vom Charme des Südens. Das vornehme Dunkelgrün der in den Himmel schiessenden Zedern beruhigt und erheischt Innehalten. Und über all dem schweben die Blätterknäuel der Pini Marittimi wie sattgrüne Wolken auf langen schmalen Stelzen. Daneben tost unerbittlich der Verkehr. Rom, regina verkehr(t)siensis.
© Patrizia Parolini